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Die Grätsche

Helmut ist 65 Jahre alt. Nun ist es Zeit in Rente zu gehen. Eigentlich nichts ungewöhnliches, wenn da nicht ein Unfall aus seinen jungen Jahren Fragen aufwerfen würde. Wie auch viele andere, war er damals Soldat bei der Bundeswehr und durchtrainiert.

 

Bei einer Mot.-Schützenübung mitten im Winter haute es ihn als zu Fuß Laufenden um und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er hatte sozusagen eine filmreife Grätsche hingelegt, da er mit einem Bein an einem Hindernis hängen blieb, darauf aber nicht rechtzeitig reagieren konnte.

 

Die Auswirkungen waren verheerend. Bewusstlosigkeit, Hüfte gebrochen und dann noch ein wichtiges männliches Teil eingeklemmt. Sehr unschön. Diese Beeinträchtigungen begleiteten ihn sein ganzes Leben lang.

 

Helmut schaut in seinen Briefkasten und findet einen Brief von der Bundeswehr vor. Die Ärztin, die seinen Rentenantrag bearbeitet, konnte nicht so richtig glauben, dass ein junger durchtrainierter Mann sich beim Hinfallen die Hüfte bricht, ganz zu schweigen von den anderen Begleiterscheinungen. Also Rentenantrag abgelehnt. In Helmut kocht es. Was jetzt tun?

 

Er denkt nach und sucht, aber irgendwie will ihm  nichts Nützliches einfallen. Er hatte noch Unterlagen von damals, erstaunlich, nach so langer Zeit. Er rief bei der Ärztin an, die ließ sich aber nicht beirren. Geht nicht, gibt´s nicht, war die Antwort. Die damaligen Ärzte müssen sich geirrt haben.

 

Irgendwann bekam Helmut einen Tipp und landete bei uns. Und ich hatte auch schon eine Idee. Das Problem bei der Ärztin war einfach nur das fehlende Vorstellungsvermögen.

 

Also blieb nur eine Möglichkeit, ab zur Bundeswehr und drei Soldaten bei einer Einheit ausleihen, Unfall nachstellen, natürlich ohne, dass es erneut zu den Verletzungen kommt und alles fein säuberlich fotografieren.

 

Im Gegensatz zum Unfalltag, war es am Nachstellungstag herrlich warm. Eigentlich konnte einem der Proband leidtun, da er mit kompletter Ausrüstung die Nachstellung machen musste. Aber es musste sein. Es sollte ja anschaulich und realitätsnah wirken. Die beiden anderen Soldaten waren zum Abstützen des Probanden gedacht. Schließlich sollte es ja nur nachgestellt werden und keine neuen Verletzungen hervor rufen.

 

Der Unteroffizier und die beiden Sanitäter, die uns  ebenfalls zuschauten, zeigten beim Anblick der Nachstellung ein schmerzverzerrtes Gesicht. Irgendwie projizierten sie Das, was sie da sahen auf ihren eigenen Körper und malten es sich so richtig aus. Und wenn das schon bei den Zuschauern solch eine Wirkung hat, dann konnte es für die Vorstellungskraft der bearbeitenden Ärztin nur förderlich sein.

 

Nachdem dann unsere Unterlagen eingereicht wurden, gab die Ärztin ihren Widerstand auf. Der Rentenantrag wurde dann doch bewilligt.

 

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