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Liegefahrrad

Ein Tag, wie jeder andere. Manuela fuhr mit ihrem Pkw zu einer Freundin. An einer Kreuzung musste sie halten, da die Ampel auf Rot stand. Als sie grün bekommt, fährt sie in den Kreuzungsbereich ein und lässt zunächst die entgegenkommenden Fahrzeuge passieren.

 

Da für sie kein weiteres entgegenkommendes Fahrzeug sichtbar ist, setzte sie ihren Abbiegevorgang nach links fort. Sie ist fast vollständig abgebogen und es befindet sich nur noch der hinteren Teil des Pkw im Kreuzungsbereich, da gibt es einen lauten Knall und ihr Fahrzeug wackelt etwas. Manuela bremst sofort. Noch weiß sie nicht, was passiert ist.

 

Sie steigt aus, geht um ihr Fahrzeug herum und sieht an ihrer Beifahrerseite einen Fahrradfahrer auf dem Boden hocken, neben ihm sein verbogenes Liegefahrrad. Hinter ihrem Fahrzeug steht noch ein Pkw. Der Beifahrer steigt aus, gibt sich als Arzt zu erkennen und fragt den Fahrradfahrer, ob er denn Hilfe benötige. Der aber wiegelt ab und tuttert rum.

 

Manuela hat immer noch nicht begriffen, was eigentlich passiert ist. Sie hat doch darauf geachtet, dass kein Fahrzeug mehr entgegen kam. Sie wendet sich an den Arzt, denn der saß ja in dem Fahrzeug hinter ihr und fragt ihn, woher denn der Fahrradfahrer gekommen sei. Der Arzt zuckt nur mit den Schultern und meint, er habe auch keine Ahnung, wo denn der Radfahrer hergekommen sei.

 

Manuela ruft ihre Mutter an und sagt ihr, dass sie gerade einen Unfall mit einem Fahrradfahrer hatte. Ihre Mutter zögert nicht lange und ruft mich an, trotz Feiertag. Ich sage zu und sehe mir zunächst den Schaden am Pkw an und fahre dann mit beiden an die Unfallkreuzung. Der Unfall ist jetzt gerademal zwei Stunden her. Manuela zeigt mir aufgrund meines Nachfragens den Ablauf und wo es nach ihrer Meinung geknallt hat. Ich suche die Stelle ab und finde noch ein paar Teile ihres Fahrzeuges auf der Fahrbahn. Ich denke, naja, Fahranfängerin, vielleicht hat sie ihn ja doch übersehen. Kann vorkommen.

 

Sie selbst hatte die Zierleiste von der Beifahrerseite, die ebenfalls abgefallen war, aufgehoben und in dem Kofferraum verstaut. Ich klemme sie wieder an und stutze. Der Fahrradfahrer hatte ja ihr gegenüber behauptet, er wäre ihr aus der ursprünglichen Richtung entgegen gekommen und hätte nicht mehr bremsen können. Und sie hätte ihm damit eindeutig die Vorfahrt genommen.

 

Irgendwie stimmt die Behauptung des Fahrradfahrers nicht mit der Beschädigung der Zierleiste überein. Die zeigt nämlich, dass er in einem spitzen Winkel in den Pkw eingedrungen sein muss. Er hat aber behauptet, er sei aus der ursprünglichen Richtung Manuale entgegen gekommen. Und da sie ja schon eingebogen war, hätte er eigentlich im rechten Winkel einschlagen müssen.  

 

 

Ich notiere meine Erkenntnisse und gebe sie an den Anwalt von Manuela weiter. Zwischenzeitlich hat ihr Unfallgegner Strafanzeige gestellt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Seltsam, am Unfallort wollte er keine medizinische Unterstützung von dem Arzt und nun plötzlich große Verletzungen? Da Manuela jünger, als 25 Jahre alt ist, ist das Jugendstrafgericht zuständig. Wäre sie älter, als 25 Jahre zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen, hätte der Staatsanwalt mit hoher Wahrscheinlichkeit  den Fall eingestellt, aber so wurde eine Maschenerie in Bewegung gesetzt.

 

Am Tag der Gerichtsverhandlung vor dem Jugendstrafgericht ist Manuela sehr aufgeregt. Ihre Mutter begleitet sie. Der Fall wird aufgerufen. der Unfallgegner und der Arzt sind als Zeugen geladen. Ich werde vom Verteidiger mitgebracht. Die Vorsitzende Richterin eröffnet. Die Jungendhilfe ist auch zugegen. Was für ein groteskes Bild. nach einiger Zeit wird der Unfallgegner in den Gerichtssaal gerufen. Er soll als Zeuge aussagen. Zuvor hatte ich Gelegenheit bekommen, den Fall aus technischer Sicht zu erläutern. Sowohl die Richterin, als auch der Staatsanwalt hören mir aufmerksam zu. Sie haben noch einige Fragen an mich.

 

Der Arzt bestätigt den von mir eingegrenzten Kollisionsort. Der Unfallgegner verstrickt sich immer mehr in Widersprüche. Für den Staatsanwalt ist die Sache mittlerweile klar. Er tut etwas sehr ungewöhnliches. Er beantragt einen Freispruch. Manuelas Verteidiger ist zufrieden und stellt denselben Antrag. Die Richterin sieht auch so und so ergeht ein klarer Freispruch. Der Unfallgegner hat nicht so ganz verstanden, was da im Gerichtssaal passiert, jedenfalls tuttert er noch ein wenig herum und verlässt dann den Saal.

 

Manuela ist sichtlich erleichtert, schwört aber auch, noch aufmerksamer beim Autofahren zu sein. das soll ihr nicht wieder passieren.

 

Einlaufwinkel

 

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